Stephanie Becker-Bösch spricht über die Zeit während Corona

Stephanie Becker-Bösch

Die Sozial- und Gesundheitsdezernentin des Wetteraukreis, Stephanie Becker-Bösch (SPD) sprach auf Einladung der Bad Vilbeler SPD in einer virtuellen Veranstaltung über die aktuelle Corona-Situation in der Wetterau und gab einen kurzen Ausblick auf die möglichen Szenarien nach der Pandemie.

Am 27. Dezember 2020 wurden die ersten Impfungen auch in der Wetterau durchgeführt. Aufgrund der Priorisierung des Bundes sollen zuerst die älteren Bürgerinnen und Bürger geimpft werden, so waren im Wetteraukreis auch mobile Dienste unterwegs, die Impfungen in den Pflege- und Seniorenheimen vorgenommen haben.

Seit dem 9. Februar ist das Impfzentrum in Büdingen geöffnet. Die Termine für die Impfungen werden durch die Koordinierungsstelle des Landes vergeben. Becker-Bösch bedauert, dass die Terminvergabe und die damit zusammenhängenden Impfungen momentan noch sehr schleppend verläuft. „Dies hängt damit zusammen, dass wir einfach zu wenig Impfstoff haben“ ärgert sie sich.

1.500 Menschen könnten, bei ausreichendem Impfstoff in Büdingen, täglich verimpft werden, diese Zahl kann aber, obwohl Hessen zwei verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stehen, aufgrund der mangelnden Impfdosen, bei Weitem nicht erreicht werden.

In Zukunft, so hofft die Sozialdezernentin könnten die Impfungen aber auch bei den Hausärzten durchgeführt werden, „ähnlich wie bei der Grippeschutzimpfung“.

Hier sieht Becker-Bösch aber auch ein großes Problem für die Zeit nach Corona, denn es gibt in der Wetterau klare Tendenzen, die erkennen lassen, dass es gerade im ländlichen Raum zu einem Hausarztmangel kommen kann „und nicht nur im östlichen Teil der Wetterau, sondern auch längs der A5 ab Bad Vilbel und Karben“, betont sie. Viele der älteren Hausärzte würden in den nächsten zehn bis zwölf Jahren in den Ruhestand geben und diejenigen, die jetzt Medizin studieren, würden aus vielen verständlichen Gründen sich oft vor einer Selbstständigkeit scheuen. „Hier gilt es Anreize aus der Politik zu schaffen, damit sich jetzige Medizinstudenten oder Absolventen eine Tätigkeit als Hausarzt auch im ländlichen Raum vorstellen können“; meint Becker-Bösch.

Eine Möglichkeit einem Ärztemangen entgegenzutreten, wäre die Gründungen von Gesundheitszentren in den einzelnen Kommunen, in den Hausärzte, Fachärzte aber auch Ärzte aus den Fachkliniken und vielleicht sogar eine Gemeindeschwester unter einem Dach praktizieren können“. Dies wird aber nicht in allen Gemeinden möglich sein“.

Für die SPD in der Wetterau ist es eine wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren Anreize für angehende Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, damit sie sich als Hausärzte ansiedeln. „Das kann eine wirtschaftliche, aber auch eine Unterstützung mit Sachmitteln, wie z.B. die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten sein“, mein Becker-Bösch.

Sie habe in dieser Wahlperiode schon einen Versuch zusammen mit dem Verein Oberhessen gestartet ein Landesprogramm auf die Beine zu stellen um Nachwuchs in die Wetterau zu holen. „Noch war das Ergebnis leider ernüchternd“, bedauert sie. Sie wolle es aber weiter probieren, denn „ die Wetterau hat auch den Ärztinnen und Ärzten viel zu bieten“.

Auf die Frage eines Zuschauers, warum es denn zu unterschiedliche Betroffenheiten bei den Infektionen in den Seniorenheimen käme, antwortete Becker-Bösch, dass ein, vom Kreis oder Land einheitliches Hygienekonzept aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten der Einrichtung nicht möglich gewesen sei. Jede Einrichtung musste ein Hygienekonzept für sich selber erstellen. „So ein Konzept muss man dann aber auch leben“, meinte Becker-Bösch, es habe auch immer ein Stück mit Glück zu tun.

Weiter wurde die Frage gestellt, wie die personelle und strukturelle Situation des Gesundheitsamtes in der Wetterau denn aussehe. Daraufhin antwortete Becker-Bösch, dass auch das Gesundheitsamt der Wetterau, wie wohl aller anderen in der Bundesrepublik auch, personell nicht unbedingt auf eine solche Pandemie vorbereitet gewesen sei. „Jedoch konnten wir durch Umstrukturierungen in der Verwaltung dies ganz gut auffangen“. Auch die digitale Ausstattung des Gesundheitsamtes ist ausreichend, man könne jederzeit damit mit den zentralen Stellen des Bundes und den Laboren kommunizieren. Zukünftig müsse aber aus ihrer Sicht auch die Gesundheitsämter personell besser aufgestellt werden, denn es gelte Frühwarnsysteme zu entwickeln, damit man nicht wieder in eine solche Pandemiesituation gerate. Die Nachverfolgung sei wieder gegeben, auch dies habe mit der personellen Umstrukturierung zu tun, jedoch seien die Mitarbeiter mittlerweile alle „am Limit“, wie sie betonte. „Unser aller Dank gilt dem unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamt im Kampf gegen diese Pandemie“.

Die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Lucia André gab einen kurzen Einblick über die Arbeit des Café Kleeblatt in Zeiten der Corona-Pandemie. Das Café-Kleeblatt ist ein Projekt der Diakonie, der Caritas, der Arbeiter Wohlfahrt und der Stadt Bad Vilbel, erklärte André, die eine niederschwellige Betreuung von Demenzkranken vor Ort anbiete. An drei Tagen in der Woche können Demenzkranke für drei Stunden betreut werden. „Dies ist eine wichtige Ablenkung aus dem gewöhnlichen Alltag sowie eine erhebliche Entlastung der betreuenden Angehörigen“. Leider musste die Betreuung Mitte März 2020 erst einmal eingestellt werden. „Im Sommer haben wir es wieder versucht, aber leider konnten wir nur diejenigen betreuen, die in der Lage waren, das Tragen der Maske zu akzeptieren“, bedauerte sie.

Wichtige Bausteine der Betreuung sind gemeinsames Singen, Berührungen, gemeinsames Spielen oder auch das Herumreichen von gewöhnlichen Gegenständen, mit denen unter Umständen besonderer Erinnerungen verbunden sind. „All dies ist nicht mehr möglich“

So reduzierte sich das Angebot des Café Kleeblatt im Sommer auf Spazierengehen oder Vorlesen. „Aber trotzdem waren die Teilnehmer glücklich, dass wir das Angebot wieder aufnehmen konnten“ meinte Lucia André und sobald es geht „werden wir wieder loslegen“.

Abschließend gab noch Holger Wenisch, Leiter, der Betriebsleiter des AWO Sozialzentrum „Marie-Juchacz-Haus“ einen Einblick, wie er in seiner Einrichtung mit der Pandemie umgeht. Die Einrichtung hat 64 Einwohner und gehört damit eher zu den kleineren Einrichtungen. Bisher musste Wenisch noch keinen Verdachtsfall oder sogar einen mit Corona infizierten Bewohner verzeichnen. Aus Sicht des Betriebsleiters sei aber nicht nur das Hygienekonzept maßgebend für die erfolgreiche Verhinderung von Infektionen, sondern auch das Verhalten der Bewohner, Angehörigen und Mitarbeiter. Wenisch schloss seine Einrichtung für Besucher schon im März des letzten Jahres. Seit der Wiedereröffnung können Besuche nur mit Terminvergabe stattfinden. Die Besuche werden auf das Zimmer begleitet und das Tragen von FFP2-Masken ist Standard.

Seit Dezember 2020 stehen dem Heim auch Schnelltest zur Verfügung. „Dies hätte ich mir natürlich schon schneller gewünscht“, ärgert sich Wenisch. Mit den Schnelltest werden die Bewohner sowie die Mitarbeiter zweimal die Woche auf das Corona-Virus getestet. Auch die Besucher kämen nur mit einem Schnelltest in die Einrichtung. Der vom Wetteraukreis vorgegebenen 48-Stunden Test ist für Wenisch nicht zufriedenstellend, denn „ich habe keinen Überblick darüber, ob die Person sich in diesen 48 Stunden vielleicht nicht doch angesteckt hat“. Im Januar fanden die beiden Impfungen in der Einrichtung statt. Bis auf zwei Bewohner haben alle an den Impfungen teilgenommen und auch 92% der Mitarbeiter seien bereit gewesen sich impfen zu lassen. Wenisch habe seinen Einrichtung erst eine Woche nach der offiziellen Wiedereröffnung für Besucher zu gelassen, da dann zwei Wochen seit der zweiten Impfung vergangen waren und der Impfstoff sich voll entwickeln konnte. Auch teste Wenisch jeden Bewohner, der aus dem Krankenhaus gekommen ist für vier aufeinanderfolgende Tage. „Dann bin ich und die Bewohner auf der sicheren Seite“ so Holger Wenisch abschließend.