Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2021/2022

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Anders,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Stöhr,

meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

das Jahr 2020 hat uns alle vor eine Herausforderung gestellt, die wir uns im Dezember 2019 nicht im Geringsten hätten vorstellen können.

Wir erleben derzeit, wie eine Pandemie unser Leben bis hinein in die kleinste Kommune dramatisch beeinflusst.

An erster Stelle geht es um die Gesundheitserhaltung der Bevölkerung, aber auch die Existenzsicherung, die Absicherung der Kinderbetreuung, die schulische Ausbildung, den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen und sozialen Zusammenlebens durch Kultur- und Sportveranstaltungen, deren Hygienekonzeption die AHA-Regeln berücksichtigen. Das sind die entscheidenden Leitlinien unseres Handelns.

Wir leben nun mittlerweile schon seit mehr als sieben Wochen wieder in einem Lockdown und seit Sonntag wissen wir, dass die Maßnahmen noch verschärft werden müssen und das öffentliche Leben ab morgen fast auf null heruntergefahren wird. Im Wetteraukreis werden wir ab heute, zumindest bis Heiligabend, mit einer Ausgangssperre leben müssen

Diese tiefe Einschnitte betreffen wieder viele Bereiche unserer Wirtschaft. Gastronomen, Masseure, Einzelhandel, Friseure oder Künstler stehen erneut vor der Frage, wie es wirtschaftlich weitergehen kann, die öffentliche Hand wird nicht unendlich finanzielle Hilfen geben können. Viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden wieder auf Kurzarbeit gesetzt, oft sind es diejenigen, die sowieso nur über ein niedriges Nettoeinkommen verfügen können.

Dieser Lockdown stellt also auch den Zusammenhalt der Bevölkerung und das Vertrauen in die Politik vor eine noch schwierigere Zerreisprobe als zu Beginn der Pandemie.

Leider existiert keine Blaupause für den Umgang mit dem Virus. Vieles ist neu, weitere Hürden kommen hinzu; dennoch müssen alle Politiker, auch wir in den Kommunen, Entscheidungen treffen, die auf die Zukunft ausgerichtet sind.

Deshalb möchte ich mich, auch in Namen meiner Fraktion, auf diesem Weg einmal bei all denen, die in diesen Zeiten Verantwortung tragen und sie sich stellen, sei es aus der Spitzenpolitik, der Wissenschaft oder der Medizin, herzlich bedanken.

Dieser Dank gilt auch für unseren Magistrat, der seit März ebenfalls immer wieder vor sehr unpopulären Maßnahmen stand, diese aber mit sehr viel Fingerspitzengefühl vollzogen hat. Und auch wenn ich als Vertreter der größten Oppositionspartei hier stehe, fällt es mir nicht schwer, den Mut des Bürgermeisters zu loben, zumindest ein wenig die Freibad- und Burgfestspielsaison in diesem Jahr retten zu wollen. Dies hat ja zum Glück auch weitgehend funktioniert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute sind wir hier, um in den Haushaltsberatungen Entscheidungen zu treffen. Diese sind für die Stadtentwicklung wichtig, aber jenseits der oben angesprochenen Dimensionen, hängen davon zum Glück keine gesundheitliche Betroffenheiten oder gar Überlebenschancen ab.

Meine Damen und Herren,

der uns heute vorliegende Doppelhaushalt stellt für den Ergebnishaushalt eine im Vergleich zu den Vorjahren erhebliche höhere Anforderungen an seine Finanzierung. Vor diesem Problem stehen aufgrund der Corona-Pandemie wohl fast alle Kommunen in unserem Land.

In beiden Jahren des Doppelhaushalt plant der Magistrat erhebliche Defizite, was vor allem auf dem Rückgang der Einnahmen durch die Einkommensteuer bzw. Gewerbesteuer zurückzuführen ist.

Natürlich verkennen wir nicht, dass der Magistrat in der Lage ist, die entstehenden Defizite durch Rücklagen auszugleichen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut werden konnten.

Die Stadt will auch in den nächsten Jahren in ihre Infrastruktur investieren. Vieles davon findet unsere Zustimmung: Etwa der Neubau eines Kindergartens und das langersehnte Jugendhaus auf dem Heilsberg, dass die SPD seit der ersten Sitzung des Ortsbeirates Heilsberg immer wieder gefordert hat – über 20 Jahre lang, (das Thema und die Forderung der SPD ist also so alt, dass viele jetzige Großeltern schon darüber diskutierten, als sie selbst noch in dem Alter waren ein Jugendhaus zu besuchen) oder die Sanierung der alten Sporthalle in der Kernstadt. Auch der Neubau der Theaterwerkstätten findet immer noch unsere Zustimmung, aber zu diesem Punkt werde ich später noch kurz eingehen. Ebenso wie die Erweiterung der Gewerbefläche in Dortelweil neben dem Stadtwerke-Areal.

Und ja, auch wir als SPD finden es sehr richtig, dass die öffentliche Hand, also wir alle, gerade in schwierigen Zeiten weiter investiert. Denn wenn nicht die öffentliche Hand, wer soll dann bitte der Motor für die Weiterentwicklung der Zukunft sein?

Aber investiert die Stadt wirklich in die richtigen Bereiche, oder wieder einmal nur, wie so oft und gerne, in so genannte Leuchtturmprojekte?

Dies ist die eine Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir die Investitionsplanungen durchlesen, die uns vom CDU/FDP geführten Magistrat vorgelegt wurden.  Eine andere Frage, die wir uns leider zum wiederholten Male stellen müssen: Wie kann es sein, dass die Kosten eines Bauvorhabens der Stadt mindestens doppelt so teuer werden, wie es ursprünglich vorgesehen war?

Für die Theaterwerkstätten, die wir immer als sinnvoll angesehen haben und dies auch weiterhin tun, waren immer 3,5 Millionen Euro Baukosten veranschlaget worden. Kurz vor Beschluss der Haushaltssatzung kommen sie plötzlich mit der Erkenntnis um die Ecke, dass das Bauvorhaben wohl 7 Millionen Euro kosten wird.

Dieser „Fehler“ ist ihnen schon in der „Neuen Mitte“, der Stadthalle, aber vor allem bei dem Neubau des Vereinshauses auf der Sportanlage Dortelweil, passiert.

Eine seriöse Planung von Bauvorhaben aber vor allem ein seröses Baumanagement inklusive Kostencontrolling sieht anders aus, als Sie es Herr Bürgermeister und Kämmerer immer wieder durchführen.

Die Frage, ob man sich seitens der Regierungskoalition fast ausschließlich auf Leuchtturmprojekte konzentriert, kann man also auch in diesem Haushalt erneut bejahen.

Dagegen scheint der Dortelweiler Platz kein Leuchtturmprojekt zu sein, denn schon seit dem Bestehen dieses Platzes fordern wir als SPD, Maßnahmen, um diesen endlich zu beleben.

Bisher, und leider auch heute wieder, wird dies durch fadenscheinige Begründungen mit Baumaßnahmen, die ja doch niemals realisiert werden, abgelehnt. Vielleicht sollte man sich sehr genau überlegen, ob man die Grundstücke südlich des Dortelweiler Platzes einer anderen Verwendung, nämlich dem bezahlbarem Wohnungsbau, zuführen kann.

Wir sind sehr froh darüber, dass Dank der Initiativen der Genossinnen und Genossen in Dortelweil für einen Wochenmarkt, dieser Platz wenigstens samstags jetzt die Belebung erfährt, die er verdient. Eine Belebung, die er im Übrigen auch durch die Sommeremotions im Sommer 2020 erfahren hat. Eine Veranstaltung, die hoffentlich Zukunft haben wird. Auch für solche neuen Veranstaltungen, die unser Portfolio an den vielfältigen Kulturveranstaltungen weiter steigern, kann ein Kulturfonds, den wir ebenfalls beantragt haben, durchaus hilfreich sein.

 

Meine Damen und Herren,

Bad Vilbel baut, Bad Vilbel wächst!

Eine Tatsache die wir, und auch sonst niemand, in Abrede gestellt haben.

Bad Vilbel baut, Bad Vilbel wächst!

Ja, aber leider immer nur im hochpreisigen Segment. Bei insgesamt ca. 1600 neu entstandenen Wohneinheiten, haben sie ungefähr 50 Mietwohnungen im bezahlbaren Segment entstehen lassen.

Auch der von ihnen immer wieder beschriebene Kaskadeneffekt, lässt sie persönlich vielleicht etwas ruhiger schlafen, glauben wird dieses Märchen außer ihnen keiner mehr.

Denn viele Mietwohnungen, dass wissen sie auch genau, die durch einen Umzug in die neuen Wohngebiete frei werden, werden teurer dem Markt wieder zugeführt, oder gar verkauft.

Ein weiterer Effekt ist zu beobachten: Viele Einfamilienhäuser, die durch das Ableben der Inhaber frei werden, werden abgerissen und durch Mehrfamilienhäuser ersetzt, deren Wohnungen ebenfalls im hochpreisigen Segment vermietet werden.

Genau dafür beantragt die SPD, Gelder in den Haushalt einzustellen, damit die Stadt zum Verkauf stehende Immobilien erwerben und dem Markt zu einem günstigen Mietzins wieder zur Verfügung stellen kann.

Durch den geplanten Hessentag 2020 sind viele Fördergelder nach Bad Vilbel geflossen. Sie haben damit begonnen auch die Frankfurter Straße optisch zu verschönern, weitere Maßnahmen werden in den kommenden Jahren hoffentlich noch folgen.

Was sie aber nicht nachweisen: Wie sie das Angebot im Einzelhandel oder Gastronomiebereich in der Bad Vilbeler Innenstadt attraktiveren  oder wie sie den vorhandenen Einzelhandel stärken wollen.

Deshalb halten wir es für unbedingt erforderlich die Stelle eines „Citymanagers“ zu schaffen, der sich um die Belange der Innenstadt kümmert. Sie haben mit den Verschönerungen an der Hardware herumgebastelt:  Aber damit Bad Vilbel wieder zu einer beliebten Einkaufsmeile kommt, bedarf es mehr, nämlich professioneller Hilfe und Unterstützung.

Ja, es durchaus richtig, dass wir Citymanagement im Rahmen des ISEKs gefördert bekommen. Diese Förderung ist jedoch nur zeitlich begrenzt und soll durch externe Berater erfolgen. Wir halten eine Stelle für dringend nötig, die dem Magistrat unterstellt, im Rathaus angesiedelt und dauerhaft für die Stadt tätig ist.

Meine Damen und Herren,

Gerade seitens der Stadtwerke wird immer wieder betont, wieviel diese für die Klimapolitik und die Umwelt unternimmt.

Ja, stimmt und dies ist auch völlig in Ordnung. Aber Umwelt- und Klimapolitik finden nicht nur in den Windparks weit weg von Bad Vilbel statt, sondern vor Ort, hier in unserer Kommune.

Viele unserer Nachbarstädte sind dort schon viel weiter als Bad Vilbel. Es bedarf schon eines professionellen Konzepts, um wirklich nachhaltige Klima- und Umweltpolitik zu machen.

Man muss sie aber auch wirklich wollen.

Wir haben mit unseren Haushaltsanträgen aufgezeigt, wo wir die Mängel in dem von ihnen vorgelegten Haushaltsentwurf sehen und warum wir vor allem dem Ergebnishaushalt nicht zustimmen können.

 

 

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr großer Theater – und Musicalfan bin, und auch unsere Burgfestspiele mit vollem Herzen unterstütze. Aber ein Defizit von 1,8 Millionen, wie es im Haushaltsjahr 2021 geplant ist, (im Übrigen war vier Tage vor der Einbringung des Haushalts in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss noch von 1,2 Millionen die Rede) wirft dann doch die Frage auf, gerade im Hinblick auf die immens hohen Betreuungskosten im U3-Bereich, im Vergleich zu Nachbarkommunen, oder der Tatsache, dass viele Selbstständige, auch in unserer Stadt, durch die Pandemie, um ihre Existenz kämpfen müssen, „Darf man dieses Defizit noch tolerieren“. Grundsätzlich muss die Antwort eines jeden verantwortlichen Stadtverordneten lauten: Nein!

Aber aufgrund der Corona-Pandemie, im Bewusstsein, wie dieses Defizit zu Stande gekommen ist und der Kenntnis der immensen Arbeit der Organisatoren, sollte man auch als Opposition sagen, okay, aber bitte nur einmal. Wenn die Pandemie auch die Saison 2021 im selbem Maße behindert, wie in der vergangenen Saison, dann ist es die Pflicht des Kämmerers und der Verantwortlichen der Burgfestspiele Alternativen zu entwickeln. Alternativen, die nicht die Existenz der Burgfestspiele in Frage stellen, aber das Defizit nicht über ca. 500.000,00 € steigen lassen.

In diesem Zusammenhang ist es uns völlig unverständlich, dass Sie nicht bereit sind,  unsere langjährigen Partner, die seit vielen Jahren den Bad Vilbeler Markt beleben, sofort finanziell zu unterstützen und für zwei Jahre auf die Standgebühren zu verzichten, Sie winken auf der einen Seite also 1,8 Millionen Euro einfach durch, aber bei 156.000,00 € für zwei Jahre sperren sie sich.

Besser werden-Bad Vilbel bleiben. Unter diesem Motto hätte auch dieser Haushalt stehen können. Diese Chance haben Sie leider verpasst. Sie geben keine oder nur unzureichende Antworten auf die Frage, wie sie die Verkehrsproblematik in Bad Vilbel in den Griff bekommen wollen. Sie geben keine Antworten auf die Frage, was Bad Vilbel für eine zukunftsorientierte Klima- und Umweltpolitik unternehmen möchte. Und Sie beweisen wieder einmal, dass diejenigen Menschen, die nur über ein kleines oder mittleres Einkommen verfügen und in Bad Vilbel wohnen bleiben möchten, ihnen, meine Damen und Herren der CDU und FDP nicht wirklich wichtig sind.

Diesen Weg, können und wollen wir nicht mitgehen.

Meine Damen und Herren,

zum Abschluss möchte ich mich bei allen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Arbeit bedanken. Wir als Stadtverordnete haben vor allem mit Frau Merk, der ich auf diesen Weg gute Besserung wünschen möchte, Frau Bär, Herr Loos und Frau Steinhuber-Honus zu tun. Auch für ihre Zusammenarbeit bedanke ich mich sehr.

Dieser Dank gilt natürlich auch den Mitgliedern unserer freiwilligen Feuerwehr für ihre Arbeit im vergangenen Jahr.

Meine Damen und Herren,

wir stehen kurz vor einer Kommunalwahl. Solche Wahlen bedeuten ja auch immer Abschied von verschiedenen engagierten Bürgern zu nehmen, die nicht mehr kandidieren.

Auch wenn wir noch eine Sitzung haben werden: Ich möchte mich schon jetzt bei unserem Stadtverordnetenvorsteher Herbert Anders für seine umsichtige Leitung der Versammlungen und auch der guten Organisation dieses schwierigen Sitzungsjahres bedanken. Es ist schade, dass wir heute das traditionelle Weihnachtsessen nicht veranstalten können, aber wir hoffen sehr, dass wir dies, dann auch mit Ihnen, Herr Anders, vielleicht in der nächsten Wahlperiode nachholen können.

Lieber Herr Anders,

meine Damen und Herren vom Magistrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

ich möchte Ihnen allen ein friedliches Weihnachtsfest, einen guten Rutsch ins neue Jahr und ein schöneres, aber vor allem gesundes 2021 wünschen.